Am Donnerstag, den 11. Januar, hatte die Gülser SPD zum Neujahrsempfang für 2024 geladen. Neben aktuellen Ratsmitgliedern und Kandidat*innen konnte der 1. Vorsitzende der Gülser SPD, Toni Bündgen, im voll besetzten Weingut Lunnebach über 50 Gäste aus den verschiedenen Parteien und Vereinen begrüßen. Als Referent des Abends war der rheinland-pfälzische Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, Alexander Schweitzer, nach Güls gekommen.

In seiner „Rede zur Sozialen Lage“ im Land berichtete der Sozialdemokrat von den vielfältigen Herausforderungen, denen sich sein Ministerium aktuell gegenübersieht. Die Bedrohungen und Folgen durch das Corona-Virus, Kriege in Europa und Krisenherde weltweit sowie die Veränderungen durch den Klimawandel und Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz haben ein Gefühl der Dauerkrise entstehen lassen. Dies hinterlässt Folgen für den Arbeitsmarkt, die Gesellschaft und die Einstellung vieler Menschen zur Politik.

Dauerkrisen-Modus: Pandemie vorbei – aber Folgen bleiben

Schweitzer kritisierte den Versuch oppositioneller Politiker wie Friedrich Merz, diese Gefühle durch undifferenzierte Einordnungen und das Schüren von Vorurteilen für ihre Popularität auszunutzen. Der gerade öffentlich gewordene Vorstoß von AfD-Politikern, Werteunion und rechtsextremen Gruppierungen, Konzepte zur Vertreibung und Stigmatisierung von in Deutschland lebenden Menschen salonfähig zu machen, zeige, welche gefährlichen Tendenzen das Reiten auf populistischen Stimmungswellen auch in unserem Land wieder haben kann.

Der Minister rief dazu auf, zu einer sachlichen Debattenkultur auch bei kontroversen Themen zurückzukehren. Am Beispiel Bürgergeld-Diskussion stellte er zunächst fest, dass es noch nie so viele sozialversicherungspflichtig beschäftigte Menschen im Land gegeben habe wie jetzt. Obwohl es vereinzelt immer Menschen geben könne, die das Sozialsystem ausnutzen, betrachtet er die Debatte um arbeitsunwillige Bürgergeldbezieherinnen als spalterisch. Die meisten Menschen, die Bürgergeld beziehen, möchten dies seiner Einschätzung nach nicht dauerhaft tun. Dennoch könnten Brüche in der Biographie oder Krankheiten dazu zwingen. Und genau hierfür sei der Sozialstaat da, um die Menschen aufzufangen und zu unterstützen, trotz Problemen aktiv an der Gesellschaft teilhaben zu können. Eine differenzierte Betrachtung ist für den Sozialdemokraten daher unerlässlich.

Erfolgsprojekte gegen vergiftete Debatten

Exemplarisch erzählte Minister Schweitzer von einem Projekt in Mainz, bei dem schwer vermittelbare Bürgergeldempfänger mit mangelhaften Sprachkenntnissen bei einer Ausbildung zu Busfahrern unterstützt wurden. Fördermittel wurden zur Begleitung durch Coaches und Investitionen in Sprachunterricht eingesetzt, was Geld gekostet aber den Erfolg der Maßnahme ermöglicht habe. „Nun tragen sie mit Stolz das MVG-Wappen und freuen sich, Menschen durch die Stadt zu befördern, die sie aufgenommen hat.“

Dieses Beispiel zeigt, dass eine vergiftete Debatte mit Fokussierung auf Einzelfällen von Arbeitsunwilligen die Realität verzerre, so der Minister. Die Politik in Rheinland-Pfalz arbeite dem aktiv mit Projekten entgegen und das müsse offensiver vertreten werden.

In den letzten Jahren habe sich leider der Diskussions-Ton verschärft. Viele Menschen klagten lautstark auf hohem Niveau. Schweitzer gab zwar zu, dass es auch in Rheinland-Pfalz Menschen gebe, die sich tatsächlich abgehängt fühlten und durch Krisen in ihrem Wohlstand bedroht sehen. Auch die Landwirte müssten im Rahmen demokratischer Spielregeln auf ihre Probleme aufmerksam machen dürfen.

Aber die Politik reagiere auch: Die Pflege sei nun viel stärker in der Debatte präsent als vor der Corona-Pandemie, und die Bezahlung werde schrittweise erhöht. In Rheinland-Pfalz habe die Landesregierung die Schulgeldfreiheit für soziale Berufe eingeführt. Früher mussten Auszubildende noch selbst für ihre Ausbildung bezahlen. Aber auch wenn Geld im Gesundheits-Bereich gut investiert sei, gebe es nur begrenzte finanzielle Freiräume. Die Gesellschaft sei als Ganzes herausgefordert und es kämen immer neue Problemfelder auf.

So habe Minister Schweitzer auch das Thema Einsamkeit im Blick: Viele Menschen fühlten sich nicht mehr wahrgenommen und alleingelassen. Das rheinland-pfälzische Modellprojekt “Gemeinde-Schwester plus” biete allein lebenden Älteren zwischenmenschliche Unterstützung und neben pflegerischer Expertise auch soziale Ansprache, um der Vereinsamung entgegenzuwirken.

Im Rahmen der “Heizungsdebatte” habe Rheinland-Pfalz mit seinen Minister*innen und Bundestagsabgeordneten mit dafür gesorgt, dass die soziale Frage stärker berücksichtigt wurde. Die Heizkostenhilfe sei über den Bundestag eingeführt worden, um soziale Folgen abzufedern.

Selbstkritik und politische Herausforderungen: Minister Schweitzer spricht Klartext

In seiner offenen Rede übte Minister Schweitzer aber auch Selbstkritik zur politischen Kommunikation insbesondere in der Ampel-Regierung: Schweitzer betonte, dass der Umgang der Koalitionäre im Bund untereinander nicht immer den angemessenen Standard erreicht. Auch sei wünschenswert, dass der Kanzler öfter seine hanseatische Zurückhaltung aufgebe und vielleicht mehr „mediterranes Temperament“ zeige.

Insgesamt laufe aber auch vieles gut und er habe den Eindruck, dass das Jammern auf einem hohen Niveau bei den erforderlichen Kompromissen nicht immer gerechtfertigt sei. In diesem Zusammenhang warnte er vor den Kräften, die die Kommunikationsschwäche für Hetze nutzen. “Das ist Gift für unseren Zusammenhalt.”

Demokratie stärken

Zum Abschluss appellierte Schweitzer an alle Gülser*innen, am 9.6. wählen zu gehen und die Gelegenheit zu nutzen, unsere Demokratie zu stärken. Er selbst setzte sich an die verschiedenen Tische und suchte das direkte Gespräch mit den Anwesenden. Fragen, etwa zum Projekt “Gemeindeschwester plus”, beantwortete er geduldig und hörte den Sichtweisen der politisch unterschiedlich orientierten Tischgenoss*innen aufmerksam zu.

Koblenzer Politiker*innen betonen Bedeutung der anstehenden Wahlen

Detlev Pilger, der Koblenzer SPD-Vorsitzende und ehemalige MdB, mahnte, dass unsere Demokratie nicht so gefestigt sei, wie oft angenommen. “Die Braunen wollen die Errungenschaften unserer Gesellschaft rückgängig machen.” Oberbürgermeister David Langner betonte die Bedeutung der Kommunalwahl für Entscheidungen, die jeden direkt betreffen. Zudem sei die Politik für Europa prägend für unseren Alltag und somit seien starke Signale für ein demokratisches Europa wichtig. Genauso vehement wies er darauf hin, dass es 2024 zentral sei, neben der Abgabe der eigenen Stimme auch viele weitere Leute aus dem Umfeld zur Wahl mitzunehmen! Die SPD-Landtagsabgeordnete Anna Köbberling erklärte darüber hinaus, dass Frauen in den Räten immer noch unterrepräsentiert seien. Das aktuelle Fehlen von Kita-Plätzen führte sie auf zu wenig Diskussion in der Vergangenheit über “Care-Themen” zurück, da die weibliche Perspektive nicht stark genug vertreten gewesen sei.

Zu guter Letzt stimmte der Ortsvorsteher Hans-Peter Ackermann die Nationalhymne “Mir seijn die Gülser” an, womit die Hoffnung auf Zusammenhalt der demokratischen Kräfte und eine konstruktive politische Debatte für die Zukunft verbunden wurde. Alexander Schweitzer jedenfalls erklärte, dass er von der herzlichen Begrüßung beeindruckt war und fügte mit einem Augenzwinkern an, dass er nun in seinem Lebenslauf angeben könne, auch mal in Güls einen Wein getrunken zu haben. 

SPD zeigt sich offen für Dialog und ist nicht nur vor den Wahlen präsent

Die Vorsitzenden, Toni Bündgen, Alexandra Gärtner-Schmidt und Pascal Klingmann, freuten sich als Organisatoren über die positiven Rückmeldungen der Gäste zum Abend. „Die Gülser Genoss*innen sind sich bewusst, dass wir als Ortsverein weder die Politik des ganzen Landes ändern können, noch jeden zufrieden stellen können. Aber wir können als Ansprechpartner vor Ort die Probleme an die Entscheidungsgremien weitergeben und umgekehrt die Schwierigkeiten der demokratischen Abläufe transparent und verstehbar machen. Auch Politiker*innen sind nur Menschen und selbst ohne Verschwörungen und böse Absichten können komplexe Gesetze Lücken und kontraproduktive Effekte haben. Im direkten Gespräch lässt sich Vieles doch besser klären.“

Ich hoffe, mit diesem Abend ist es uns gelungen, Politik ein Stück nahbarer zu machen und zu zeigen, dass wir als Ortsverein für die Menschen unseres Orts da sind“, so Toni Bündgen. Auch ganz abgesehen von den anstehenden Kommunalwahlen am 9.6. hat die SPD Güls auch weitere Veranstaltungen für das Jahr 2024 wie SPD hört zu, das Heyerbergfest sowie die monatlichen Stammtische SPD trifft Güls, bei denen die Kandidat*innen für die Stadt- und Ortsbeiräte für Anliegen und Gesprächsmöglichkeiten gerne zur Verfügung stehen.“

Toni Bündgen wünscht den Anwesenden und Gülser*innen im Namen der SPD ein gutes neues Jahr

 

Minister Alexander Schweitzer vor vollbesetzem Publikum beim Neujahrsempfang in Güls

 

Detlev Pilger, David Langner, Anna Köbberling und Ortsvorsteher Hans-Peter Ackermann sprechen nach Minister Schweitzer auf dem Neujahrsempfang 2024

Bilder: Pascal Klingmann

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