Es scheint eine neue Tradition geworden zu sein, unter romantisch anmutenden Titeln Anti-Corona-Demonstrationen, z.B. als „Candle-Light am Rhein“ – ob angemeldet oder nicht – zu organisieren. Die Idee von sogenannten Spaziergängen wurde von einschlägig rechten Kreisen erdacht, um das Demonstrationsrecht „auszuhebeln“: Ganz nach dem Motto „Wir sind ja nur spazieren“.

Das Demonstrationsrecht ist in einer funktionierenden Demokratie ein hohes und enorm wichtiges Gut, um Interessensgruppen, unter Einhaltung bestimmter Regeln, die Möglichkeit zu geben, die eigenen Positionen friedlich und fair zu artikulieren.

Die zurückliegenden Jahre der Pandemie und der daraus erwachsenden mehr oder weniger ausgeprägten Einschränkungen haben unser aller Leben nachhaltig beeinflusst und Viele gar belastet. Insofern ist eine gewisse Unzufriedenheit mit den andauernden Einschränkungen allgemein zu beobachten, ohne dass jedoch die Mehrheit die Notwendigkeit der ergriffenen Präventionsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Frage stellt. Repräsentative Umfragen vor Weihnachten haben sogar aufgezeigt, dass sich eine Mehrheit für schärfere Maßnahmen, etwa einen Lockdown, ausgesprochen haben.

Zu den oben erwähnten Spielregeln für eine funktionierende und gerechte Gesellschaft gehört es aber, Recht und Gesetz zu beachten und nicht etwa dieses unter den Pseudo-Parolen „Frieden“ und „Freiheit“ zu missachten. Das fängt damit an, Demonstrationen als solche zu benennen und die Genehmigung zu beantragen, und darüber hinaus, sich Polizeikräften oder anderen Menschen gegenüber respektvoll und friedlich zu verhalten. Die Freiheit des Einzelnen endet nämlich dort, wo die Freiheit von Anderen beschränkt wird. Die Präventionsmaßnahmen dienen dem Schutz aller Menschen, die an COVID19 erkranken, daran versterben oder ein Leben lang unter den Spätfolgen leiden würden. Die gewählten Vertreterinnen und Vertreter in Stadträten, Landtagen oder im Bundestag beraten ausführlich nach Pandemielage, bevor Maßnahmen beschlossen werden.

Regelungen zu akzeptieren, die demokratisch erlassen wurden und vielleicht der eigenen Position nicht entsprechen, wie etwa eine Geschwindigkeitsbeschränkung oder ein Alkoholverbot im Straßenverkehr, bedarf der Resilienz echter Demokratinnen und Demokraten. Es gibt allerdings genügend geneigte Kreise im In- und Ausland, die sich eine Destabilisierung unserer Demokratie wünschen und mit vielen Mitteln unterstützen.

Wenn „die Wahrheit in den Dienst der Unwahrheit gestellt wird“ und „das Wahre in den Dienst der unwahren Ideologie tritt“, dann befinden sich gerade die Werte von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit nach Theodor W. Adorno in Gefahr. Denn durch die romantisch titulierten Aktionen wird eine Spaltung der Gesellschaft forciert. Eine laute Minderheit dominiert eine Mehrheit. Dann haben geneigte Kräfte ihr Ziel erreicht. Das Agieren der Spaziergängerinnen und Spaziergänger, die sich auf die Demokratie und die darin verankerte Toleranz berufen, führt dadurch eben zur Abschaffung dieser Toleranz und zu einer Diktatur. Wenn wir also offen Intolerante gewähren lassen, werden die Toleranten am Ende abgeschafft und mit Ihnen die Toleranz als Basis der Demokratie (vgl. Karl Popper).

Die Gleichstellung aller Geschlechter basiert auf der Toleranz und dem Freiheitsgedanken, ohne die Freiheit der oder des Anderen zu beschränken. Wer also einen romantischen Abendspaziergang sucht, sollte sich immer fragen, mit wem spazieren gegangen wird. Wen unterstütze ich da und wofür trage ich die Verantwortung. Die ASF Koblenz fordert daher: wehret den Anfängen und geht nicht mit #Nazis spazieren.

Hierzu auch der passende Gedanke von Simone de Beauvoir: „Problematisch wird die Freiheit eines Menschen dadurch, dass sie mit der Freiheit der anderen Menschen verkettet ist. Was ist, wenn ein anderer Mensch Ziele hat, die meinen entgegenstehen, vielleicht sogar bedrohen?“

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